Artikel von HANS GEORG FRANK
Ziel: Göttliche Gerechtigkeit.
Die "Schwarze Hofmännin" aus Böckingen und ihre Rolle im Bauernkrieg
Margarethe Abrecht aus dem Heilbronner Stadtteil Böckingen ging als "Schwarze Hofmännin" in die Geschichte ein. Im Bauernkrieg vor bald 500Jahren war sie wohl die einzige Frau als
treibende Kraft.
Eine "faszinierende Frau in einer faszinierenden Zeit" sei Margarethe Abrecht geborene Renner aus Böckingen gewesen, glaubt Klemens Ludwig aus Tübingen. Acht Jahre lang erforschte
er das Leben der Aufrührerin, die sich maßgeblich in den Bauernkrieg eingemischt hat. Als "Schwarze Hofmännin" hat sich die Witwe eines Hofmannes (eines dienstverpflichteten
Bauern) des Deutschen Ordens einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert - und ist doch ziemlich unbekannt geblieben.
Zuverlässige Quellen über die Gerechtigkeitsfanatikerin sind dürftig. Bisweilen wurde sie, in linken Kreisen, verklärt als "erste deutsche Revolutionärin". Als solche, glaubt
Ludwig, habe sie sich gewiss nicht verstanden. Deshalb hat er einen Roman geschrieben, in dem er Historie mit Fantasie kombinierte, um eine Idealfigur zu schaffen. Er erfindet
einen Bruder, der bei einer Treibjagd ums Leben kommt, weil ihm der Truchsess von Waldburg die Hilfe verweigert. Aus der "unbändigen Wut auf den Truchsess" und ihren "Glauben an
die Gerechtigkeit" wurde eine rebellische Charaktermischung. Seine Dorfschönheit ("wohlproportioniert, üppiges schwarzes Haar, fein geschnittenes Gesicht, funkelnde Augen")
widersetzt sich den herrschenden Gepflogenheiten und Gesetzen im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts.
"Göttliche Gerechtigkeit, das ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt", lässt Ludwig sie als Credo sagen. Der Autor befasst sich eingehend mit dem aus seiner Sicht
möglichen Werdegang der Protagonistin, die er als "weise Frau" darstellt. Es sei "meine Interpretation, die weder bewiesen noch widerlegt werden kann", meint Ludwig selbstbewusst.
Zwar hält er sich nicht an Fakten, wenn er am Heilbronner Rathaus noch vor 1525 eine astronomische Uhr beschreibt, die erst 1579/80 montiert wurde. Dennoch entstand ein
eindrückliches Sittengemälde des Kampfes ums Überleben in jener Zeit des Umbruchs. Die Um- und Zustände, die zu den Aufständen der unterdrückten und ausgebeuteten Bauern führten,
werden so ausführlich geschildert, dass das erste Attentat auf einen verhassten Schultheißen bis Seite 197 warten muss.
Die "Schwarze Hofmännin" als "furchtlose Kämpferin gegen Ungerechtigkeit" war die lenkende Kraft hinter dem ungleich berühmter gewordenen Jäklein Rohrbach. Würde stimmen, was
Ludwig beschreibt, wäre sie eine ganz frühere Vorreiterin der Emanzipation gewesen, eine Frau nämlich, die sich von Obrigkeiten nicht einschüchtern ließ, die mit Rhetoriktalent
auch mächtige
Ratsherrn, allgewaltige Adlige und sogar gelehrte Prediger zum Schweigen brachte. Erst nach der Niederlage in der Schlacht von Böblingen am 12. Mai 1525 musste sie sich von der
Hoffnung auf Freiheit verabschieden.
Er wolle sie nicht als Dämonin oder sozialistische Barrikadenkämpferin zeichnen, betont Ludwig, "sondern möglichst so, wie ich meine, dass sie gewesen sei". Denn, bei aller Freude
am belletristischen Schaffen, trieb den Autor des Buches eine idealistische Absicht: Die historische Rehabilitierung einer Frau, "für die Spiritualität eine sehr große Rolle
gespielt hat". Im Roman erscheint die "Schwarze Hofmännin" daher zurückhaltender als in zeitgenössischen Akten. Klemens Ludwig lässt sie Heilkräuter suchen, während beim
"Weinsberger Blutsonntag" (16. April 1525) der kaiserliche Schwiegersohn Helferich von Helfenstein durch die Spieße gejagt wurde.
In Überlieferungen wird dagegen behauptet, die unerschrockene Frau habe sich gerühmt, die Leiche des verhassten Grafen zerschnitten und ihre Schuhe mit dem auslaufenden "Schmer"
eingerieben zu haben. Ist Ludwigs "Hofmännin" aus taktischen Gründen eher konziliant, scheint die echte Person weniger zimperlich gewesen zu sein. "Erwurgen und erstechen, was zu
Haylprun sey und den stinckenden gnadigen frawen die heß vorm arßabschneyden, das sie gin wie beschrotten gens", wollte sie angeblichwüten. Auch sollte in der Stadt kein Stein auf
dem anderen bleiben.
Der Bauernkrieg im süddeutschen Sprachraum war die Ausweitung lokaler Aufstände ab 1524. Die Bauern bildeten Haufen und formulierten in den "Zwölf Artikeln von Memmingen" ihre
Menschenrechte. Sie verlangten mehr Freiheit und weniger Abgaben. Im September 1525 waren sie besiegt.
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