Besprechung in der Süddeutschen Zeitung

vom 20.04.2009 von Rupert Neudeck



Wenn der Eisenvogel fliegt - Tibeter im Exil - Nymphenburger

Tibetische Lebensläufe


Klemens Ludwig beschreibt die spirituelle Buntheit des tibetischen Lebens im Exil vor der Folie dessen, was in Tibet seit 1959 geschehen ist. Damals wurde der Dalai Lama von der Invasionsarmee der Chinesen vertrieben. Er sagt zu Beginn des Buches: "Mir liegen der Ausgleich und die Harmonie zwischen den Religionen viel mehr am Herzen als der Übertritt von Nichtbuddhisten zum Buddhismus." Welcher Religionsführer kann so großzügig sein?

Der Dalai Lama hat neben der theologischen Öffnung des Buddhismus zweifellos noch das Verdienst, erste Spurenelemente von Demokratie in eine fest gemauerte hierarchische Welt einzuführen. In Dharamsala in Nordindien hat seinerzeit der weise Pandit Nehru den Tibetern Asyl gegeben. Zunächst war Nehru noch der Meinung, er könne sich als Führer der Blockfreien Bewegung auf die friedliche Koexistenz mit China verlassen. Als aber die chinesische Armee 1962 Indien überfiel, war diese Illusion geplatzt. Nehru setzte sich für die Flüchtlinge aus Tibet ein, und keine Regierung Indiens hat bis heute in diesem Punkt gewackelt.

Der Autor lässt die Exilanten selbst sprechen. Etwa Tenzin Wangmo Drongshar Frapolli. Eine Tochter aus adeligem Hause, die von der Exilregierung ausersehen war, sich für künftige administrative Aufgaben des autonomen Tibet durch Bildung fitzumachen. Sie kam im August 1962 mit ihren Eltern nach Deutschland. Die Tibeterin erwähnt, wie ihr Leben in zwei Kulturen von der Waldorf-Pädagogik sehr gefördert wurde. Und sie macht die Gefährdung deutlich, der Tibeter und hübsche Tibeterinnen unterliegen, die gerne als Exoten vorgeführt werden.

Interessant auch, wie der Historiker Wangpo Tethong die Sache der Tibeter beschreibt, die in der Schweiz Aufnahme fanden. Was Indien für Asien, ist die Schweiz für Europa, was die positive Grundstimmung dort für Tibeter im Exil angeht. Neben seinem Kampf für ein freies Tibet ist Tethong auch Umweltaktivist und arbeitete einst im Büro der grünen Abgeordneten Petra Kelly und Gert Bastian.

Leider fehlt in dem Buch ein Glossar mit der Erklärung der geistlichen Titel, der spirituellen und mönchischen Schulen, der buddhistischen Traditionsstränge.


RUPERT NEUDECK


KLEMENS LUDWIG: Wenn der Eisenvogel fliegt. Tibeter im Exil. Nymphenburger-Herbig Verlag, München 2008. 208 Seiten, 19,95 Euro.

ISBN: 978-3-485-01152-5